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 Gespräche     
  Luzerner Theater Luzern, den 04.04.2008 
Bild s/0266 Elisabeth Neske
© Elisabeth Neske
Die Geschichte bestimmt die Musik
Ein Interview mit der Komponistin Elisabeth Naske

Worin liegt das Faszinierende an dem Buch von Kurt Held?

Mich interessieren die Themen, um die es darin geht: Wir sehen einerseits eine Bande von Kindern, die allein auf sich gestellt sind und deshalb mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Und wir sehen andrerseits den Fischer Gorian, dem – stellvertretend für viele – sein selbstgenügsames Leben nahezu unmöglich gemacht wird.

Das Textbuch beschränkt sich auf einige Episoden aus dem umfangreichen Buch. Wie kam es zu dieser Auswahl? Hat die Librettistin Theresita Colloredo alleine entschieden?

Nein, wir haben sehr eng zusammengearbeitet. Im Laufe der Zeit hat sich der Text immer wieder verändert, die Schwerpunkte verlagerten sich, die Geschichte nahm mitunter eine andere Richtung, als ursprünglich geplant. Allerdings kristallisierten sich schon früh die Erzählstränge heraus, die uns am wichtigsten waren: die Bande und die Beziehung der Kinder untereinander sowie der Fischereikonflikt. Zlata hingegen kam zunächst gar nicht vor und hat sich erst während der Arbeit am ersten Akt ihre Existenz zurückerobert.

Wie komponiert man für Kinder und Jugendliche? Gibt es Elemente, die bei einer Oper für Kinder zu beachten sind?

Ich weiss nicht, wie man speziell für Kinder und wie für Erwachsene komponiert. Ich will das auch gar nicht unterscheiden. Für mich ergibt sich die Tonsprache aus dem gewählten Thema und dem Text. Und da man Erwachsenen meistens – nicht immer – andere Geschichten erzählt als Kindern, klingt das dann auch anders.

Wie komponiert man eine Oper?

Die Frage ist immer: Wie kann ich nicht nur die äussere Handlung, sondern – was noch viel spannender ist – auch die inneren Zusammenhänge, die Vorgänge in den Herzen der Figuren deutlich machen? Deshalb ist der Anfang so schwer. Ich frage mich: Was höre ich bei dieser oder jener Szene? Wie klingt dieser oder jener Charakter? Wenn ich einmal ein gewisses Vokabular gefunden habe, wird es leichter. Dann muss ich quasi die Sätze bilden, um damit meine Geschichte zu erzählen.

Im Roman spielt die Handlung in Osteuropa. Hatte das Konsequenzen für die Komposition?

Die Handlung spielt zwar in Kroatien, aber auch im Buch steht die geografische Lage nicht im Vorder-grund. Die Geschichte könnte man sich leicht auch in Sizilien oder an einer anderen Mittelmeerküste vorstellen. Beim Lesen war mir das Südländische immer präsent, vor allem natürlich das Meer, das ja die Existenzgrundlage der Fischer dort bildet. Die Tanzmusik in der Kneipenszene macht wohl deutlich, in welchem Teil der Erde wir uns befinden. Aber das ist mir beim Komponieren einfach passiert, ohne dass ich mir viele Gedanken darüber gemacht hätte, wie die traditionelle Musik dieser Region (Senj) klingt.

Sind die Probleme der Kinder in «Die Rote Zora» eigentlich noch Probleme heutiger Kinder?

Ich glaube, dass diese in den 40-er Jahren beschriebene Problematik noch heute aktuell ist und zwar in zweierlei Hinsicht: Die Konflikte, die sich im Zusammenleben der Kinder miteinander ergeben, sind zeitlos und unabhängig von äusseren Umständen, denn sie sind zutiefst menschlich. Wir finden sie überall dort, wo Menschen miteinander leben und auskommen müssen. Dass sie sich unter den Vorzeichen materieller Not noch verschärfen, liegt in der Natur der Sache. Aber auch der Konflikt zwischen Bande und Gesellschaft existiert nach wie vor. Verwahrloste Kinder, alleine oder in Banden, begegnen uns nicht nur in den Slums dieser Welt, sondern es gibt sie überall, auch in unserem wohlhabenden Mitteleuropa. Und dafür trägt die Gesellschaft die Verantwortung – das ist heute noch genauso wie früher.

Quelle: Luzerner Theater




Bild
 Venedig, Teatro La Fenice: La sala
© Michele Crosera



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